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1. August 2018 - Festansprachen von Fabienne Koenig und Jan-Niklas Spörri

von Fabienne Koenig

Über was schwätzt mer denn eigentlich am 1. August? Die Frag han ich ih mim Rucksack gha, woni dur Kanada greist bin. S’Thema isch doch eigentlich gsetzt. Natürlich d Schwiiz. Aber was weiss ich denn no vom Wilhelm Täll, Rütlischwur, de Schlacht am Morgarte? Ja, ich bin sicher, liebi Chüsnachterinne und Chüsnachter, da wüssti de eint oder ander vo eu sicher besser Bscheid.

D Frag ih mim Rucksack isch immer schwerer worde. Bis ich gmerkt han, ich träge d Antwort eigentlich scho längstens mit. Nöd ih mim Rucksack, sondern ih mim Herz. S’ Weggah vo dihei, ide Fremdi z’sii, s’Heicho. D’Schwiiz. Mini Heimät. Genau, Heimat isch mis Thema. Aber was isch das?

Was bedütet Heimat?
Isch Heimat es Huus, en Ort, es Land, e Person oder eifach nur es Gfühl?
Isch Heimat det womer de Humor verstaht?
Womer genau weiss weles Tram wohi fahrt?
Isch Heimat, wänn mer in Lade cha ga und grad weiss weles Müesli kei Wiibeeri drin het?
Dete womer s Wlan Passwort uswendig kennt?
Wo bide Huuslüüti de eiget Name staht?
Wo d Wösch nachem Wöschmittel vom Mami schmöckt?
Womer im Dunkle jede Liechtschalter findet?

Ich wär ja nöd d Generation Y, wänn ich ih sonere Situation nöd wür google. Luut Wikipedia:

«Der Begriff Heimat verweist zumeist auf eine Beziehung zwischen Mensch und Raum. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird er auf den Ort angewendet, in den ein Mensch hineingeboren wird und in dem die frühesten Sozialisationserlebnisse stattfinden, die zunächst Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und Weltauffassungen prägen.»

Das seit doch eigentlich alles drüber uus was Heimat isch.
Nei natürlich nöd! Also, zumindest nöd für mich.
Heimat isch doch so vill meh als eifach e Definition. Ein Satz langed nöd. Es sind Gschichte wo zu mim Heimatsgfühl gfüert hend.

Ich mag mi no guet erinnere, wonich als chlises Meitli mit de Familie im Münstertal vo Italie her über d Grenze cho bin und de Zöllner am Zoll gseit het: «Grüezi mitenand. Füered sie Waare mit?» Ich han zwar kei Ahnig gha was das bedütet, aber das isch eigentlich au gliich gsi. Ich han definitiv erchennt, dass das schwizerdütsch gsi isch. Denn hani gwüsst, d’Heimat isch nüme wiit.

Für d’Bärner Band Plüsch isch Heiweh d Sehnsucht. D’Sehnsucht nach de Berge, de Schoggi, em Wii, de Wälder, de Seeä und em Schnee. Das Lied und anderi schwiizer Songs hend mier es Gfühl vo Heimat bracht. Das hani gmerkt, woni im tüüfe Kanada stundelang uf de Strass dur endlosi Wälder gfahre bin und mich echli allei gfühlt han.

D Sprach, d Lieder aber au d Gegeständ chönd eim anes Dihei erinnere.

Was für de Brasilianer FlipFlops sind, sind für de Schwiizer d Bergschueh. Was für d Asiate d Riisnuddle sind, isch für de Schwiizer d’Schoggi, de Chäs oder s chnusprige Brot.

Öppis vo dem z’vermisse chan Heiweh heisse. Weh tuets zwar nonig grad, wänn mer keis Sackmesser oder kei Schoggi het. Weh tuets wänn mer e Beziehig vermisst, wänn mer d Nöchi zu sine liebste nüme het.

Als Pfadileiterin hani das i mänge Lager erlebt. Wänn s Mami oder de Papi fehlt giz nüt wo das chan ersetze. Und chaufe chan mers au nöd, au nöd in Chüsnacht. Aber zudem verzellt denn min Kolleg nochli meh.

Für mich giz im Moment nur ei Heimat. D’Schwiiz. Das isch aber nöd für alli eso.

Ich han d Möglichkeit gha, 3 Täg im tüüfe Kanada binere Familie Gast z’sii. Amene Ort wo sich ab und zue en Grizzly zeiged und wänn mer zum Fenster usluegt, mer e Tanne, e Tanne, e Tanne – ja, nüt anders als Boim gseht. Und de nöchsti Supermärt isch nur mitemene Landrover inere halb Stund z’erreiche. Es het wiit und breit kei Natelantenne. Ja, diä Chinde hend keis Smartphone! Churz gseit: sie wohned zimli ab vom Schuss. Es isch e kei kanadischi Familie gsi, wie ier jetzt vilicht denkt hend. Es isch e Familie, wo iri Wurzle ide Schwiiz het und vor Jahre e zweiti Heimat in Kanada gfunde het. Was het das für die Familie bedütet, di alti Heimat z verlah, e neui z sueche und öppis Neus ufzbaue?

Ich zitiere: «Sit Jugendziit hemmer devo troimt, ois ih dere Wiiti vo Nordamerika e neui Heimat z’sueche. Es isch e keis Ufgäh, sondern es isch es Nahgah, e Suechi und denn e Erfüllig vomene Traum gsi.»

Da wo sie jetzt sind fühled sie sich dähei, das isch iri Heimat. Sie wettet im Moment nienät anderscht sii. Trotzdem seged sie: Mier sind und bliibed Schwiizer.

Mängi Lüüt setzed Heimat gliich mit Wurzle und Herkunft, fuer die Familie isches da, wo sie jetzt sind. Für sie isch Heimat det wo mer sich diheime fühlt. 'Heim-at' – Heim at Canada, Heim at Switzerland, Heim at Küsnacht.

Us dere Begegnig han ich usegno, mer chan au e 2ti oder vilicht sogar e 3ti Heimat haa. Was au nöd heisst, dass mer d Ursprungsheimat womer verlah het, nüme schätzt. Vilicht lehrt mer sie aber au erst dänn besser kenne oder schätze, wänn mer sie verlah het.

Eigentlich chan ich jetzt so vill devo verzelle was für mich Heimat isch. Aber am End vom Tag mues jede selber für sich entscheide, was ihm es Heimatsgfühl git.

Mini Definition vo Heimat isch leider nöd ih eim Satz z verpacke.

  • Für mich isches en Ort wo mer sich wohl, geborge, zueghörig und sicher fühlt, wo mer integriert, respektiert und gliebt wird
  • Idete eigete Sprach genau das chönne uszdrucke was mer will
  • Bekannte Gesichter uf de Strasse z gseh
  • Mundart Musig
  • D Pünktlichkeit vode schwiizer ÖV
  • en Ort wo mit eigete Gschichte verbunde isch
  • S’ Esse vom Mami
  • Heicho und nöd müese e bestimmti Rolle z’spille sondern grad en Teil vom Ganze chönne z’sii
  • mit eim Wort: s’Vertraute.

Es sind en huufe Teili wo zemme es Puzzle gänd.

Hüt isch Mis vilicht 50-teilig, mit 50i aber scho 200, oder 300?

Und ich bin sicher, wänn ich s nöchst Mal min Rucksack packe, um en neue Egge vode Welt z entdecke wird ich mit es paar meh Teili zrugg cho.

Jede het es eiges Puzzle. Und wie gseht ihres uus? Und was isch für Sie Heimat?

Wänn Sie sich das während de letschte paar Minute au selber gfrögt hend, han ich genau das erreicht woni mit mine Wort han wele.

Danke villmal.

 

von Jan-Nik Spoerri

Ich bi de Gipfel vo de Privilegierheit. Erstmal han ich s Privileg, dass ich ide Schwiiz gebore worde bin. D Schwiiz het nach de Messige vo 2017 8 Millione, 482-Tuusig und 152 Iiwohner, uf de Erde lebed öppe 7,639 Milliarde Mensche. Das heisst, dass ziemlich genau jede 900sti Mensch ide Schwiiz lebt. Wiiter han ich s Privileg, in ere Region, nämlich ade Goldküste, z lebe, dere ihre Wohlstand fast scho sprichwörtlich isch. Ich han aber nöd nur s Privileg, am Ort mit em höchste Lebensstandart z lebe, sondern au no im Ziitfenster mit em höchste Lebensstandart. Oder zumindest uufzwachse.
Mir stönd ame einzigartige Punkt ide Gschicht: Nie isch de Lebensstandart so höch gsi wie im Hier und Jetzt. Und alles düütet druf hi, dass er au nüme bsunders lang so höch bliibe wird. S Küsnacht vom junge 21. Jahrhundert isch es einzigartigs Biotop für e Chindheit.
Miner Erfahrig nach sind die wenigste Küsnachter vode ältere Generatione da uufgwachse. Und die, die das doch sind, sind inere andere Ära uufgwachse. Deshalb, liebi Küsnachter, will ich eu näherbringe, wie’s isch, im Küsnacht vode Jahrtuusigwendi uufzwachse.

In Küsnacht uufzwachse heisst, a Chindergeburtstäg iiglade z werde, a dene en Eleiunterhalter aaghüüret wird. Oder mer gaht go Gokart fahre. Oder go Indoor Skydiving mache. Mer gaht aber au a normali Geburtstäg, wos Programm usere Schatzsuechi bestaht und wo de Schatz bi schlechtem Wetter ide eigene Garage versteckt isch.
In Küsnacht uufwachse heisst, dass die Grundschuel jedes Jahr öppe 2-3 neui Schüeler dezuechömed und ebesovieli d Klass verlönd. Viele vo dene sind d Chinde vo Expats, die vo ihre Firma für es paar Jahr nach Züri gschickt werded, bis sie wieder wegziehed. Ab und zue wird es Chind aber auch eifach für 1-2 Jahr ine Privatschuel oder es Internat gsteckt, nur um denn wieder zrugg a die öffentlichi Schuel z gah.
Überhaupt sind Privatschuele in Küsnacht allgegewärtig. Nöd, dass ich als Schüeler vonere Öffentliche Schuel bsunders vill Privatschüeler z Gsicht becho hetti. Aber d Möglichkeit vonere Privatschuel staht jederziit im Ruum. Die Entwicklig mag ziitlich bedingt sii, het aber ebe au mit em Lokalkolorit z tue: D Haltig vode Eltere gegenüber de Lehrer isch nüme die vo Dankbarkeit. Bestefalls isch sie gönnerhaft. Sie sind da d Stüürzahler, somit also d Geldgeber und quasi d Kunde vom Lehrer. Und de Kund isch bekanntlich König. Die öffentliche Schuele sind ja sowieso nöd s Gelbe vom Ei, dass mer sini Sprössling dethii schickt passiert vorallem, um nöd elitär z wirke. Wehe aber em Lehrer, wenn er de Wünsch vo sine Kunde nöd gerecht wird. Chinde sind nöd dumm. Sie merked so öppis und es beiiflusst sie. In Küsnacht isch en Schüeler, de sich nöd beneh chan, kein unerzogene Goof, sondern unterfordert. Gott bewahre, dass das öppis demit z tue ha chönti, dass mer ihm dihei jede Wunsch vode Lippe abliist.
Au suscht verleiht s Küsnachter Milieu de Grundschuelerfahrig e eigeni Note. So sind zum Biispiel d Team-Liiblis bim Grümpi, oder vornehmer Schüeli, kei selber aagmalti H&M-T-Shirts, sondern professionell bedruckti Trikots mit Team- und Spielername. De Sohn vom Trainer, de Gott weiss wie i sim Terminkalender Platz für so öppis gfunde het, isch natürlich Teamcaptain.
In Küsnacht uufwachse heisst, dass mer, wenn mer ide 5. Klass keis Smartphone het, dademit de einzigi isch. Im Alter vo 11-12 Jahre isch das hüt fast scho e Selbstverständlichkeit – ich leite zurziit es Sprachlager, weiss da also, vo was ich rede – aber vor no 7 Jahr isch das überall suscht meh d Uusnahm als d Regle gsi. A dem Biispiel laht sich guet erchenne, in wiefern Küsnacht e Vorriitergmeind isch: Gsellschaftlichi Trends, die fast immer usem angelsächsische Ruum stammed, chömmed da, durch Wohlstand und Internationalität bedingt, als ersts ah. Vo mim Temperament her begrüess ich Veränderige grundsätzlich. Wenn ich aber beobachte, wie mir ein Teil von eus in es Grät vorlegeret, wie Chinde quasi zu Proto-Cyborgs werded, chunt mir s chalte Graue. Was übrigens nöd heisst, dass ich da nöd au schuldig wär.
Es isch schwierig, z illustriere, zu was für Familieverhältnis e spatkapitalistischi Gsellschaft mit Wert wie de hütige führt. Hier und da wird mer iiglade, schnappt s eine oder andere Fragment oder es paar Gsprächsfetze uuf. S meiste chan mer nume erahne. Deshalb wett ich a dere Stell, stellverträtend für dä Themeblock, eis einzigs Erlebnis schildere, was alles dehinter steckt, müend Sie sich selber uusmale.
Es isch im Küsnachter Chile-Unti emal vorcho, dass, wo sich d Chinde und Unti-Lehrer zum Znachtesse hiigsetzt hend, es Meitli bitterlich het aafange z brüele. Uf d Frage, was denn los seg, hets gantwortet: „Dihei esse mer nie alli zeme.“
Küsnacht heisst, im Franzlager automatisch als Herresöhnli abstämplet z werde. Küsnacht heisst, im 4-Sterne-Hotel Jungbürgerfiir z ha. Küsnacht heisst, bim Elterliche Liqueur-Schrank vo jedere Fläsche nur eis Gläsli z trinke, dass es niemert bemerkt. Küsnacht heisst, bim Geburtstag vome Fründ vo dem sim Vater vom Bahnhof St.Moritz is Feriehuus kutschiert z werde, ohni debi wüsse z welle, was de i dere Ziit verdient het. Küsnacht heisst, ide Ziitig über en Immobiliehai z lese, de Zürcher Gammelwohnige an Sozial Schwachi vermietet, nur um z erfahre, dass de ande gliiche Strass wie mer selber wohnt.

Aber will ichs denn andersch? Nei, stell ich entschlosse fest. Wennd Psychoanalyse eus eis glehrt het, denn, dass mir nöd guet behandlet wend werde, sondern uf e wohlig vertrauti Art schlecht. Ich bin s Produkt vo minere Umwelt. Ich wett nöd inere Heile Welt lebe, wo’s Wort vom Dorflehrer Gsetz isch. Au ich han erfolgriich en Teil vo mim Gedächtnis i mis iPhone verlageret. Und s gmeinsami Znacht chotzt au mich ah. Ich gseh de Abgrund, uf de mir eus zuebeweged, aber ich chan nöd andersch, als wiiterrenne. Mir hend die Entwicklig aagfange, es git keis Zrugg meh. De einzigi Weg isch tüüfer ine.