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1. August 2017 - Festansprache von Monisha Kaltenborn

Sehr geehrter Herr Gemeindepräsident,
sehr geehrte Gemeinderäte
werte Küsnachterinnen und Küsnachter
werte Damen und Herren

Auch ich begrüsse Sie alle herzlich auf diesem Festplatz mit der prächtigen Lage und der wunderbaren Aussicht. Er ist ein herrlicher Rahmen für diese Feierlichkeiten.

Der heutige Tag hat bereits mit den 23 Salutschüssen der Wulponiten und dem imposanten Trommel- und Trompetenspiel fulminant begonnen. Es folgte ein besinnlicher und feierlicher ökumenischer Gottesdienst. Das alles hat auf mich einen grossen Eindruck gemacht.

Mir ist bewusst, welch hohen Stellenwert die Bundesfeier in unserer Gemeinde zurecht einnimmt. Gerade deshalb ist es mir eine grosse Ehre, an diesem Abend vor Ihnen, geschätzte Damen und Herren, die traditionelle Festrede hier beim Wehrmänner-Denkmal auf der Forch halten zu dürfen.

Ich weiss natürlich, dass Sie mich zunächst in meiner Funktion als Chefin des Sauber Formel 1 Teams eingeladen haben. Mit diesem Amt kann ich heute Abend - wie Sie wahrscheinlich wissen - nicht mehr aufwarten, worüber ich – unter uns gesagt - alles andere als betrübt bin. Sehr gefreut habe ich mich, dass Sie, Herr Gemeindepräsident, an Ihrer Einladung festhielten, und zwar mit den Worten: «Jetzt erst recht.» Diese Haltung ist mir sehr sympathisch und auch in meinem eigenen Handeln nicht ganz unbekannt.

Erwarten Sie von mir bitte keine - wenn Sie so wollen – typische 1.-August-Rede. Ich wirke ja auch nicht gerade wie eine typische Schweizerin. Schon eher wie eine typische Österreicherin, oder?

Der 1. August ist der Bundesfeiertag, der Schweizer Nationalfeiertag. Wir gedenken heute der Gründung der Alten Eidgenossenschaft im Jahre 1291. Auch wenn die Einzelheiten unter den Historikern umstritten sein mögen: Es war ein historisch einmaliger Akt, durch den die Grundlage für die grossartige Entwicklung Ihres Landes und die glücklichen Verhältnisse, in denen wir alle hier leben dürfen, geschaffen wurde.

Persönlich hat mich die Vorstellung der Gründung eines politischen Gemeinwesens durch einen Schwur freier Männer – heute wäre vielleicht auch die eine oder andere Frau dabei – immer fasziniert. Dafür hat nicht nur Friedrich Schiller mit seinem «Wilhelm Tell» gesorgt. Vielmehr weiss ich aus eigener Erfahrung, insbesondere im Umgang mit meinen allesamt männlichen Team Principal- Kollegen, wie schwer es ist, eine Gruppe Männer zu einem gemeinsamen Schwur zu bewegen, der dann – und das ist das eigentlich Wichtige – auch noch gehalten wird. Es muss also etwas ganz Besonderes gewesen sein, was sich hier vor mehr als 700 Jahren zugetragen hat. Sie haben allen Grund, darauf stolz zu sein.

Als Einwohnerin von Küsnacht schätze ich die Vorzüge der Schweiz sehr. Es dürfte kaum ein anderes Land geben, in dem man – auch wie ich als Ausländerin – derart frei leben und arbeiten kann und das noch dazu eine solche Fülle an landschaftlicher Schönheit bietet. Die Schweizer habe ich dabei in all den Jahren, in denen ich hier lebe, als gastfreundliche, weltoffene und grosszügige Menschen kennen und schätzen gelernt. Es gab nur wenige Ausnahmen. Aber diese bestätigen auch hier – wie so oft im Leben – die Regel.

Als Unternehmerin kann ich sagen, dass die Schweiz auf Grund ihrer stabilen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer der attraktivsten Standorte für international tätige Unternehmen ist. Das gilt selbst für ein – eher kleines – Formel 1- Team, das vom Zürcher Oberland aus jedes Jahr zu 20 Formel 1- Rennen um die ganze Welt reisen muss. Gerade die Nähe zum Zürcher Flughafen war insofern immer eine grosse Hilfe. Dabei bin ich mir bewusst, dass der Flugverkehr besonders hier oben auf der Forch zu Belastungen führt. Heute Abend mussten wir es zum Glück noch nicht hören. Ich habe dazu gelesen, dass heute Abend keine Südanflüge erfolgen sollen, weil die Piloten durch die Feuerwerkskörper irritiert werden könnten. Hierzu haben die deutschen Behörden auf die Restriktionen gegenüber dem Zürcher Flughafenbetrieb verzichtet. Vielleicht sollten die Schweizer viel öfter ein Feuerwerk veranstalten, um den Nachbarn im Norden auf Kurs zu bringen.

Lassen Sie mich nun ein bisschen über die Formel 1 und meine Tätigkeit in diesem Geschäft erzählen. Wie Sie vielleicht wissen, bin ich studierte Juristin. Studiert habe ich an der Universität Wien und der London School of Economics. Danach war ich zunächst in zwei international agierenden Grosskanzleien in Deutschland und Österreich tätig.

Einige von Ihnen mögen jetzt vielleicht denken, dass eine juristische Ausbildung doch nichts mit der Formel 1 zu tun habe. Das sehe ich anders. Die Formel 1 ist heute ein vielschichtiges und modernes Unternehmen mit einem jährlichen Milliardenumsatz. In diesem Umfeld ist ein juristisches und wirtschaftliches Verständnis weitaus wichtiger als das manchmal propagierte «Benzin im Blut», das viel zu entflammbar wäre, um in hitzigen Verhandlungen zum Erfolg zu führen.

Zum Sauber Formel 1 Team bin ich 1998 gekommen, zunächst als externe Beraterin und dann als Leiterin der Rechtsabteilung. Es war Peter Sauber, der mich in dieser Funktion nach Hinwil geholt hatte und dem ich viel zu verdanken habe. Seit 2001 war ich ununterbrochen Mitglied der Geschäftsleitung des Unternehmens. Ich blieb dies auch nach Übernahme des Unternehmens durch BMW Ende 2005. Diese Jahre waren nicht nur sportlich sehr erfolgreich. Für mich fast ebenso gewinnbringend war es, die strukturierte und auf Erfolg fokussierte Arbeitsweise eines prestigeträchtigen Autokonzerns kennenzulernen.

Nach dem Ausstieg BMWs und Rückkauf des Unternehmens durch Peter Sauber wurde ich 2009 CEO und 2012 – einem für Sauber wiederum recht erfolgreichen Rennsportjahr - zugleich Team Principal. In diesem Jahr übertrug Peter Sauber mir auch ein Drittel der Anteile an der Sauber Gruppe.

Neben dem eigentlichen Rennsportbetrieb war es mein besonderes Ziel, die Sauber Gruppe zu einem modernen Technologie-Unternehmen zu machen. Wir haben hier mit der Sauber Aerodynamik und der Sauber Engineering in den Bereichen aerodynamische Entwicklung, 3D Printing und Software Entwicklung einiges erreicht. Hierdurch wurden Know how und Technologien geschaffen, die Schweiz weit einzigartig sind.

Die folgenden Jahre waren dann sehr fordernd und für einige Zeit auch durchaus existenzbedrohend. Grund hierfür war vor allem eine regelrechte Kostenexplosion in der Formel 1 durch Einführung neuer Motoren. Auch machte es die veränderte globale Wirtschaftssituation schwierig bis unmöglich, Sponsoren für die teure Formel 1 zu finden. Hierunter hatten neben uns auch die anderen kleinen Privatteams, die über viel bescheidenere Budgets als die grossen Teams wie etwa Mercedes, Ferrari und Red Bull verfügen, zu leiden. Drei Privatteams – HRT, Caterham und Manor – mussten ihren Rennbetrieb ganz einstellen.

In dieser schwierigen Zeit war ich in meinen Funktionen als Anteilseignerin, CEO und Teamchefin nahezu rund um die Uhr gefordert. Küsnacht habe ich damals nur bei Nacht gesehen. Die Krise zog sich über mehrere Monate hin. Damit konfrontiert waren wir nicht nur in der Fabrik in Hinwil und an den Rennstrecken, sondern auch in einigen Schweizer Medien, die zu einem grossen Teil nicht auf unserer Seite standen, sondern – und das ist das eigentlich Schlimme – mit bisweilen boshafter Tendenz Unwahrheiten über uns verbreiteten. Für diese Art des Journalismus, durch den die in jedem freien Gemeinwesen fundamental wichtige Pressefreiheit meines Erachtens missbraucht wird, habe ich – verzeihen Sie mir die offenen Worte - nie Verständnis gehabt.

Den Kampf aufzugeben, kam für mich nicht in Betracht. Stattdessen habe ich mich unter anderem schon früh für die Einführung einer Kostenobergrenze in der Formel 1 eingesetzt, um so – wie in anderen Sportarten auch – im Ansatz faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Auch lag mir eine gerechtere Geldverteilung durch den Rechteinhaber der Formel 1 stets am Herzen. Es freut mich daher sehr, dass diese Überlegungen durch den neuen Eigentümer der Formel 1, nämlich dem amerikanischen Medienkonzern Liberty Media, stark unterstützt werden. Auch die grossen Teams sind erfreulicherweise dabei, ihre Position insoweit zu überdenken.

2016 war dann ein einschneidendes Jahr. Peter Sauber und ich entschlossen uns, die Sauber Gruppe an die Investmentfirma Longbow Finance zu veräussern, um so den Fortbestand des Unternehmens langfristig zu sichern. Es war für mich immer das erste Anliegen, die rund 350 Arbeitsplätze der Sauber Gruppe, die weiteren etwa 100 Arbeitsplätze der Zuliefererbetriebe sowie den Technologiestandort Hinwil zu erhalten. Ich hoffe sehr, dass dies gelungen ist.

Dass ich selbst seit kurzem nicht mehr bei Sauber bin, ist daran gemessen unbedeutend. In den Medien ist über die Gründe für meinen Weggang einiges geschrieben und viel spekuliert worden. Ich möchte dem nichts hinzufügen, schon gar nicht an einem solch bedeutsamen Tag wie dem heutigen. Seien Sie aber versichert, dass ich meiner Linie treu geblieben bin.

Viel spannender ist die weitere Entwicklung der Formel 1. Nach dem Einstieg von Liberty Media als neuer Eigentümer der Formel 1 und der damit verbundenen Entlassung von Bernie Ecclestone in den Ruhestand – übrigens mit fast 87 Jahren – weht hier ein frischer Wind.

Die Formel 1 wurde in den letzten Jahren – nicht ganz zu Unrecht - als ein von Geld dominierter, überregulierter Sport unter einem diktatorischen Regime wahrgenommen. Genau das möchte Liberty Media ändern. So wurden transparente Führungsgremien geschaffen. Die Formel 1 hat also- 700 Jahre nach Ihnen, liebe Schweizerinnen und Schweizer – begriffen, dass ein diktatorischer Führungsstil nicht nur kurzsichtig und ärgerlich ist, sondern abgeschafft gehört.

Die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports, bei der der Fan und eine spannende Show im Vordergrund stehen müssen. Dazu gehört zunächst, dass das Regelwerk, das heute kaum ein Zuschauer noch versteht, vereinfacht wird. Ein kleines Beispiel kann ich Ihnen zum Strafsystem geben. In Silverstone wurde Fernando Alonso wegen Änderungen am Antriebsstrang damit bestraft, dass er 30 Plätze auf der Startaufstellung zurück musste. Wenn man berücksichtigt, dass bei diesem Rennen nur 20 Fahrer am Start waren, versteht diese Strafe wohl niemand.

Nicht zuletzt müssen die Rennen für die Zuschauer – und ich hoffe, es gehören einige von Ihnen dazu - spannender werden. Es kann nicht sein, dass Rennen nur von den sogenannten «Big Players» mit den dahinterstehenden Konzernen gewonnen werden können. Hier ist Liberty Media auf einem guten Wege.

Doch jetzt habe ich viel zu viel über die Formel 1 geredet.

Zu guter Letzt möchte ich noch ein paar – mir sehr wichtige - Worte über unsere schöne Gemeinde Küsnacht sagen. Ich lebe hier schon seit mehr als 17 Jahren. In all den Jahren, in denen ich ungezählte Male um die Welt reisen musste, ist mir Küsnacht zu einem wirklichen Zuhause und «sicheren Hafen» geworden. Unser Sohn und unsere Tochter, die beide in Zürich zur Welt kamen, sind hier aufgewachsen, in den Kindergarten und zur Schule gegangen. Mit Küsnacht verbinden uns wahre Freundschaften und viele schöne Erinnerungen. Wenn es so etwas wie eine «gefühlte Heimat» gibt, dann ist diese für uns hier in Küsnacht am Zürichsee.

Ihnen, liebe Küsnachterinnen und Küsnachter, möchte ich an dieser Stelle für die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, die wir von Ihnen erfahren durften, herzlichst danken. Mein Dank schliesst in besonderer Weise Ihre Gemeindeverwaltung, lieber Herr Ernst, ein. Auch hier ist Küsnacht in jeder Hinsicht vorbildlich. Und glauben Sie mir: Als jemand, der seine ersten Behördengänge in der Magistratsverwaltung Wien mit all den ihr eigenen Sonderheiten erlebt hat, weiss ich, wovon ich spreche.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen einen feierlichen und frohen Fortgang des Festes.