Direkt zum Inhalt springen

Accesskeys

Informationen

Dorfpost-Leitartikel von Gemeinderat Ulrich Erb: "Neuer Verkehrsplan – wohin führt die Reise?"

Der Gemeinderat hat beschlossen, den kommunalen Verkehrsplan total zu revidieren. Die Kerngruppe unter meiner Leitung hat die Erarbeitung der Teilprojekte Strassen und Parkierung, Öffentlicher Verkehr sowie Fuss- und Veloverkehr unter Unterstützung durch den Ortsplaner aufgenommen. Der Verkehrsplan der Gemeinde basiert auf dem kantonalen und dem regionalen Verkehrsplan und ergänzt diese Instrumente.

Übergeordnete Vorgaben

Bund und Kanton setzen auf ein weiteres Bevölkerungswachstum. Ausgelöst wird dieses durch die Anziehungskraft des Grossraums Zürich, die Personenfreizügigkeit und die Migration. So werden ein Ausbau einiger Nationalstrassen auf sechs Spuren und Bahninfrastrukturbauten im grösseren Stil geplant. Die Region unterer Pfannenstiel wird allerdings stiefmütterlich behandelt, wie noch zu zeigen sein wird. Die übergeordnete Verkehrsplanung ist also nicht wirklich auf die Aufnahme von zusätzlichem Verkehr, ausgelöst durch eine Zunahme der Bevölkerung, ausgerichtet. Das grosse Problem der anhaltend weltweiten Bevölkerungsexplosion geht in der allgemeinen Klimaschutz-Welle ohnehin unter. Nachdem schon heute 7.5 Milliarden Menschen unserem Planeten ziemlich arg zusetzen, ist ein Geburtenüberschuss von 80 Millionen pro Jahr jedenfalls suboptimal.

Der Kluge reist im Zuge

Dieser Werbeslogan wirkt zwar etwas altbacken, hat aber immer noch volle Gültigkeit, besonders im Nahverkehr. Der ÖV ist mit der S-Bahn und Zubringerbussen gut aufgestellt. Das mit Abstand schnellste und effizienteste urbane Verkehrsmittel, die U-Bahn, wurde von der Stimmbevölkerung des Kantons Zürich 1973 abgelehnt, doch konnte dieser Fehlentscheid 1981 halbwegs korrigiert und die Weichen auf das Erfolgsmodell S-Bahn gestellt werden, mit ein paar innerstädtischen U-Bahn-ähnlichen Tunnels. Etwa der U-Bahn-Ring um den See wurde aber letztlich schon damals ausgebremst. Mit den geplanten Ausbauten (Brüttener Tunnel, viertes Gleis im Stadelhofen, zweiter Riesbachtunnel) soll ein Passagierwachstum um 50% auf dem S-Bahn-Netz ermöglicht werden (vgl. ZVV, step2035). Für Küsnacht ergeben sich leider keine unmittelbaren Verbesserungen. Im Gegenteil: der Viertelstundentakt der S-Bahn bleibt zwar, doch die S20 mit ein paar Direktzügen morgens bzw. abends zum und vom Stadelhofen verschwindet wieder und eine direkte Verbindung zum Flughafen (heute S16) ist gemäss ersten Netzplänen nicht mehr vorgesehen. Womit wir beim Flugverkehr angelangt wären.

Fliegen ohne Ende

Flugrouten finden im kommunalen Verkehrsplan keinen Niederschlag. Küsnacht wehrt sich aber nach wie vor tatkräftig gegen den Fluglärm (Südanflüge- und Südstarts), wir sorgen uns ums Klima und feiern unser Energiestadt Gold Label, können es andererseits kaum erwarten, den nächsten Flug zum Aktionspreis zu buchen. Es ist zu vermuten, dass unsere CO2-Ausstossbilanz unter Einbezug der Flugpersonenkilometer nicht mehr ganz so toll wäre.

Abgesehen davon lebt nur 0.1% der Weltbevölkerung in der Schweiz, 0.0002% sind es in Küsnacht. Gleichwohl ist ein vernünftiges und nachhaltiges Handeln durchaus geboten. Die Grossmächte China, USA, Russland und Indien, die für über die Hälfte des CO2-Ausstosses verantwortlich sind (26, 14, 9 und 6%), sind allerdings anderweitig beschäftigt, mit sich selbst, mit Wachstum und Expansion sowie mit Aufrüstung. Auf die Rettung der Welt sind sie nicht programmiert, sondern sie werken zurzeit an der Destabilisierung der Weltordnung. Nun aber geht es zurück auf den Boden und zu unserem liebsten Fortbewegungsmittel, dem Automobil.

Auto – elektrisch und autonom

Ein direkter Anschluss an das Autobahnnetz bleibt unserer Region mit Ausnahme der «Forchautobahn» verwehrt. Der Seetunnel (Tiefenbrunnen – Wollishofen – Brunau, mit Anschluss an die A3, A4 und A1) ist eine Wasser- bzw. Planungsleiche. Statt einem kompletten Süd- und Ostring verbleibt der Stadttunnel (Brunau – Dübendorf) im kantonalen Richtplan. Als Option gilt der Adlisbergtunnel (Tiefenbrunnen – Dübendorf, Ostring), mit wenig Realisierungschancen. Vom rechten Zürichseeufer aus führt der Weg zur Autobahn also weiterhin durch die Stadt Zürich. Dort gelten Autofahrer aber als unerwünschte Auswärtige. Die Kapazitäten für den Individualverkehr werden in unserer Region insgesamt nicht verbessert. Auch das spricht nicht für ein Wachsen des motorisierten Verkehrs und der Bevölkerung. Immerhin tut sich im Autosektor durchaus Fortschrittliches. Elektroautos werden forciert und autonomes Fahren scheint zwar noch immer etwas utopisch, könnte aber auch im ÖV Verkehrsprobleme lösen helfen.

Mit dem Velo oder zu Fuss unterwegs

Küsnacht ist keine Velostadt, höchstens eine halbe. Die Topografie spricht dagegen. Daran ändern auch die E-Bikes nichts. Deren Ökobilanz (Batterien) ist übrigens auch noch nicht berauschend, weil weniger die Autofahrer sondern vorwiegend die normalen Velofahrer umsteigen. Für Veloabstellplätze rund um den Bahnhof ist ein Bedarf aber ausgewiesen. Zuletzt sind wir bei den Fussgängern angelangt. Neben den Wanderern im und bald über dem Tobel (!?) stehen hier die Schulkinder im Vordergrund, welche längere Strecken zurücklegen. Sicheren Schulwegen mit gefahrlosen Übergängen gilt ein besonderes Augenmerk.

Sie sehen, es gibt einiges zu tun. Der Gemeinderat wird im Herbst den Verkehrsplanentwurf zuhanden der Mitwirkung der Bevölkerung verabschieden. Wir freuen uns schon heute auf eine rege Beteiligung und konstruktive Ideen.

Ulrich Erb, Gemeinderat,
Vorsteher Hochbau und Planung