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Dorfpost-Leitartikel von Gemeinderat Martin Wyss: "Wohin wollen wir? Treten Sie mit Küsnacht in Kontakt!"

Leitartikel von Gemeinderat Martin Wyss in der Küsnachter Dorfpost vom 10. Januar 2018.

Der Kanton Zürich machte im 19. Jahrhundert eine enorme Entwicklung durch. Ein Eisenbahnnetz wurde erstellt, kulturelle Einrichtungen wie das Stadttheater (respektive das Opernhaus) und das Kunsthaus gegründet. Die Bürklianlage mitsamt der Quaibrücke, die Eidgenössische Technische Hochschule, die Universität, der Hauptbahnhof, das Universitätsspital und vieles mehr wurden erstellt. Das ist keine Selbstverständlichkeit, waren die finanziellen Mittel doch schon früher beschränkt. Eine schöne Übersicht über die Entwicklung Zürichs im 19. Jahrhundert bietet der neu erschienene Band «Zürich – Aufbruch einer Stadt» (Zürich 2017, Stadtzunft Zürich Hg.).

Die Entwicklung in der Stadt Zürich, aber auch im Kanton war Ausdruck eines Veränderungswillens in einer konstruktiven Umgebung. Diese Entwicklung geriet zumindest in der Stadt Zürich ins Stocken. Sie erinnern sich vielleicht an das Zitat der damaligen Stadträtin Ursula Koch: «Zürich ist gebaut!» Dies war Mitte der achtziger Jahre Ausdruck für eine Blockade. Links und Rechts standen sich gegenüber, vermochten sich nicht auf eine neue Bauordnung zu einigen. Weder glaubte man an ein Wachstum der Stadt noch bestand der Wille, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Die Stadt Zürich hat diese Phase mindestens teilweise überwunden, die Fronten aber blieben verhärtet.

Küsnacht ist natürlich nicht Zürich. Alles war und ist ein bisschen gemächlicher und überschaubarer. Aber auch Küsnacht hat sich entwickelt. Unter www.maps.zh.ch sind aktuelle und historische Karten frei verfügbar. Oder vergleichen Sie den auf der Homepage der Gemeinde Küsnacht verfügbaren Zonenplan des Jahres 1927 mit dem aktuellen. Erstaunlich, wie auch Küsnacht sich in kurzer Zeit entwickelt hat.

Die Verhältnisse sind in Küsnacht viel überschaubarer als in Zürich und die Wege kürzer. Ideologische Standpunkte sind traditionell wenig bedeutsam und jeder Einzelne kann Gehör finden. Dies ist ein Vorteil der nach wie vor dörflichen Strukturen. Die Gemeindeverwaltung und die Exekutive nehmen eine Schlüsselfunktion ein zwischen der Bevölkerung und dem Lebensraum. Sie erfüllen vielfältige öffentliche Aufgaben und wollen der Bevölkerung eine funktionierende Infrastruktur und Umgebung bieten. Dazu übernimmt der Gemeinderat strategische und operative Aufgaben, wobei er sich in einem doch engen Rahmen von gesetzlicher Kompetenzordnung, Budget, politischen Richtlinien und Jahreszielen bewegt. Die verschiedenen Abteilungen leiten kleinere und grössere Projekte ein und unterbreiten sie dem zuständigen Gremium zum Entscheid, sei es die Stimmbevölkerung an der Urne, die Gemeindeversammlung, der Gesamtgemeinderat oder aber der Vorsteher.

Falls Sie also das Gefühl hatten, die Verwaltung und die politischen Vorsteherinnen und Vorsteher wirkten in einer Art Dunkelkammer, seien völlig frei in ihrem Tun und würden machen, wie es ihnen grad gefällt, so darf ich Sie versichern, dass dem nicht so ist. Die zuständigen Stellen, je nach Anliegen die zuständige Gemeinderätin respektive der zuständige Gemeinderat können Ihnen jederzeit erläutern, weshalb gerade so und nicht anders gehandelt oder entschieden wurde. Nützen Sie die kurzen Wege in Küsnacht und zögern Sie nicht, Kontakt aufzunehmen und nachzufragen. Der Austausch fördert das gegenseitige Verständnis.

Der Gemeinderat, die Verwaltungsmitarbeitenden aber auch die engagierten Küsnachterinnen und Küsnachter in den politischen Parteien und an der Gemeindeversammlung: Alle haben das Ziel, Gutes für Küsnacht zu bewirken – aber wie dieses aussieht, darüber gehen die Meinungen ab und zu auseinander, wie es sich in einer gesunden Demokratie auch gehört.

Ein quantitatives Wachstum wie dasjenige Zürichs im 19. Jahrhundert dürfte für Küsnacht natürlich in vielerlei Hinsicht problematisch sein. Das Ressort Planung setzt in den Fachbereichen Raumplanung, öffentlicher Verkehr, Energie und Nachhaltigkeit sowie Grünraum denn auch auf eine qualitative Gemeindeentwicklung. Wie diese aussieht, darüber werden wir auch künftig diskutieren; als Stichworte seien, nicht abschliessend, kommunale Energiepolitik, ökologische Grün- und Erholungsräume oder innere Verdichtung aufgezählt. Fortschritt ist wohl nicht gleichzusetzen mit Wachstum. Es kann vereinfacht ausgedrückt weitsichtiger und fortschrittlicher sein, etwas nicht zu tun. Was es braucht, ist ein differenziertes Verständnis von Fortschritt im Sinne einer qualitativen Entwicklung. Nicht in grossen Sätzen an ein unklares Ziel eilen ist die Devise, sondern einer Wanderung gleich viele Schritte in die richtige Richtung tun und immer wieder prüfen, ob das Ziel stimmt. Wobei man natürlich durchaus mal einen grösseren Schritt wagen darf.

Dieser Prozess kann nur von der Gemeinde als Ganzes erfolgreich durchgeführt werden. Dabei reicht es nicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen und sich damit zu begnügen festzustellen, dieser mache es falsch. Viele von Ihnen haben sich in der Vergangenheit nicht mit blosser Kritik begnügt, sondern sich konstruktiv eingebracht, wofür ich Ihnen danke. Es ist wichtig, dass möglichst viele Küsnachterinnen und Küsnachter am politischen Leben teilnehmen und mit dem Gemeinderat gemeinsam festlegen, wie die qualitative Gemeindeentwicklung aussieht.

Dabei wird nicht immer ein Konsens herrschen, was in einer gesunden Demokratie letztlich nicht möglich und auch nicht nötig ist. Fehlender Konsens ist eben nicht gleichzusetzen mit fehlendem Respekt. Anders als Konsens ist Respekt im politischen Prozess jedoch unabdingbar. Nach sachlich hartem Austausch müssen wir in der Lage sein, die Wogen im informellen Teil zu glätten und gemeinsam einen Kaffee oder ein Bier zu trinken – ganz in Küsnachter Tradition!

Martin Wyss, Gemeinderat,
Vorsteher Planung